Hamburger Abendblatt 28.03.2013, S. 8

Mehrheit gegen Gas-Suche mit Gift SPD, Grüne und Linke wollen Fracking in
Hamburg verhindern, aber Umweltausschuss soll über Fördermethode beraten

Von Jens Meyer-Wellmann
*Hamburg* Die Bürgerschaft hat sich mehrheitlich gegen die Erlaubnis des
sogenannten Frackings auf Hamburger Stadtgebiet ausgesprochen. Wie
berichtet plant der Energiekonzern ExxonMobil die Förderung von Öl und Gas
in den Vierlanden mithilfe der hoch umstrittenen Technik. Bei dem Verfahren
werden giftige Chemikalien in den Boden gepresst, um Gesteinsrisse zu
erzeugen und so an tiefe Öl- und Gas-Vorkommen zu gelangen. Derzeit prüft
ExxonMobil, ob Bohrungen in den Vierlanden wirtschaftlich sinnvoll sein
könnten. Die Vorprüfung mittels alter Gesteinsproben und unterschiedlicher
Studien – die sogenannte „Aufsuchung“ – ist vom Senat genehmigt worden. In
der Hamburger Politik wird das Vorhaben mehrheitlich kritisch gesehen. „Wir
haben erhebliche Bedenken gegen das Fracking. Denn niemand kann zurzeit
ausschließen, dass Fracking keine Gefahr für Mensch und Tier mit sich
bringt“, sagte SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal am Mittwochabend in der
Bürgerschaft. „Mit Rücksicht auf unsere Wasserversorgung, aus
naturschutzfachlicher Sicht und letztlich auch mit Blick auf eine intakte
Siedlungsstruktur in Hamburgs Süden lehnen wir Fracking ab.“
Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan sagte: „Im Wahlkampf 2008 zog der
Spitzenkandidat der vom Satireblatt ‚Titanic‘ gegründeten Partei ‚Die
Partei‘, Heinz Strunk, mit seinem Regierungsprogramm durch Hamburg, in dem
stand: ‚Wir sehen die Zukunft Hamburgs nicht im Bergbau.‘ Wir haben Grund
zu der Annahme, dass Wirtschaftssenator Horch das anders sieht, denn seine
Behörde hat die Erlaubnis zur Aufsuchung von Erdgasfeldern erteilt, sodass
in Hamburg in die Förderung von Erdgas mit der umweltpolitischen
Hochrisikotechnologie Fracking erfolgen könnte.“ Seit Wochen beschäftige
die Diskussion um Fracking die Menschen in Bergedorf und Harburg. „Aber der
Senat beweist wieder einmal, dass ihn Umweltrisiken und die Sorgen der
Menschen nicht interessieren. Wer das Stichwort ‚Fracking‘ auf der Website
der BSU eingibt, erhält keinen einzigen Treffer. Die Politik des Senats ist
schlicht unterirdisch.“ Zudem rügte Kerstan, dass ExxonMobil alle konkreten
Vorhaben der kommenden Jahre geheim halte – mit Verweis auf
Geschäftsgeheimnisse. Kerstan kritisierte, dass die Wirtschaftsbehörde die
Aufsuchung überhaupt genehmigt habe – gegen den Rat der Umweltbehörde. „Man
sieht wieder einmal, dass in diesem Senat Umweltbelange am Ende keine Rolle
spielen“, sagte Kerstan.
FDP und CDU lehnen die Fördermethode dagegen nicht grundsätzlich ab „Wir
sind nicht Neinsager aus Prinzip, wir wollen erst einmal mehr
Informationen“, sagte die CDU-Umweltpolitikerin Birgit Stöver. „Die
Sicherheit hat dabei absolute Priorität. Wenn sich die Gewinnung als
umweltverträglich erweist, kann auch die heimische Erdgasförderung aus
unkonventionellen Lagerstätten einen Beitrag für eine gesicherte
Energieversorgung leisten und die Kosten dafür senken.“ Stöver kritisierte
ebenfalls, der Senat informiere nicht ausreichend über das Thema.
FDP-Umweltpolitiker Kurt Duwe betonte, dass es „keinen Anlass zur Panik“
gebe, zumal es bisher keine Genehmigung zum Bohren gebe. Fracking werde
seit Jahrzehnten in Deutschland angewendet. Allerdings bisher ohne
Umweltverträglichkeitsprüfung. Das müsse sich ändern. Auch müsse geprüft
werden, ob Flüssigkeiten zum Einsatz kommen könnten, die
umweltverträglicher seien. „Die praktische Anwendung des Frackings muss
eine ganze Reihe von Umweltbedenken ausräumen“, sagte Duwe. Da aber
Bohrungen auf Hamburger Gebiet gar nicht realisierbar seien, rate er zur
Gelassenheit – und zu umfassender Information.
Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn sagte: „Die Angst geht um in Hamburg.“
Und diese Angst sei auch berechtigt. Denn Studien des Bundesumweltamtes
hätten klar gezeigt, wie gefährlich und riskant die Technologie sei. Es
bestehe etwa die Gefahr, dass Radioaktivität ins Grundwasser gelange.
Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) sieht schon jetzt keine Chancen für
eine Anwendung des Frackings auf Hamburger Gebiet. „Wirtschaftsbehörde und
Umweltbehörde sind sich völlig einig, dass mit dem heutigen Wissen und
angesichts der noch nicht abgeschlossenen Klärung möglicherweise
bestehender Risiken derzeit ein Antrag, auf Hamburger Gebiet Erdgas mittels
Fracking zu fördern, keine Aussicht auf Erfolg haben würde“, sagte Blankau
dem Abendblatt. In der Bürgerschaft warnte die Senatorin davor, die Bürger
zu verunsichern. Es gebe bisher keinerlei Genehmigung für Bohrungen.
Die unterschiedlichen Anträge der Fraktionen zum Fracking wurden am späten
Abend in den Umweltausschuss überwiesen. Dieser soll das Thema nun beraten
und der Bürgerschaft über seine Ergebnisse Bericht erstatten.
Niemand kann derzeit Gefahren für Mensch und Tier ausschließen. *Monika
Schaal, SPD-Umweltpolitikerin *
*Autor: *Jens Meyer-Wellmann

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