Fracking: Technik, Umweltbelastung und Wirtschaftlichkeit

von Dr. Dietmar Goetz (Nov. 2013)

Zusammenfassung
Mit Fracking in horizontal abgelenkten Bohrungen sollen bisher unerreichte Gas- und Ölreserven aus dem tiefen Untergrund gefördert werden. Damit, so die Apologeten dieser Technik, soll die Energieversorgung für die Zeit des Übergangs zu den erneuerbaren Energien gesichert werden. Die Technik birgt große Risiken für die Umwelt und bringt vor allem die Grund- und Trinkwasserressourcen in Gefahr. Sie provoziert Erdbeben und Geländehebungen und -senkungen und gefährdet so Gebäude und Deiche. Bohrplätze und nötige Infrastruktur zerstören großräumig die Landschaft. Aufbau, Betrieb und Abbau benötigen immense Ressourcen und belasten die Klimabilanz, auch wenn Erdgas von der Industrie stets als „saubere“ Energie hingestellt wird. Die landläufig übliche Praxis der Verpressung der flüssigen Abfälle bringt hochgiftigen Sondermüll nicht rückholbar in den Untergrund und schafft damit eine Zeitbombe für sauberes Grundwasser. Der ökonomische Nutzen ist demgegenüber nicht nennenswert: Der Beitrag des in Deutschland förderbaren Frac-Gases würde etwa 0,7 % des deutschen Gesamtbedarfs decken und die Schaffung neuer Arbeitsplätze tritt hinter der bei den Erneuerbaren zurück. Die Frage, ob Fracking in Deutschland sinnvoll ist, stellt sich daher nicht.

Was bedeutet Fracking?

Abb. 1: Wie Fracking das Trinkwasser gefährden kann

Abb. 1: Wie Fracking das Trinkwasser gefährden kann

Mit dem Hydraulic Fracturing, dem Fracking bei der Bohrlochbehandlung sollen durch hydraulischen Druck im Untergrund Brüche erzeugt werden, die zu einer besseren Durchlässigkeit des Gesteins für Flüssigkeiten und Gase führen. Damit wird der Gas- oder Flüssigkeitsaustausch zwischen dem angebohrten Gestein und einem eingebrachten Förderrohr verbessert.

Fracking kann für die Förderung von Kohlenwasserstoffen (Erdgas/Erdöl) aus dem Untergrund oder auch zur Optimierung des Wärmeaustauschs bei Geothermie-Bohrungen eingesetzt werden. Das Verfahren wird schon seit über 60 Jahren genutzt und ist seitdem, insbesondere für die Öl- und Gasförderung, weiter entwickelt worden. Problematisch ist die Technik geworden, seit durch den Einsatz von Horizontalbohrungen bei der Rohstoffgewinnung ganze Gesteinsschichten großflächig aufgebrochen werden, den Frackwässern toxische Chemikaliencocktails zugesetzt werden und durch die erweiterte Erschließung unkonventioneller Lagerstätten riesige Mengen kontaminierten Tiefenwassers (Lagerstättenwasser) an die Oberfläche gelangt.

Wie liegt das Erdgas im Boden vor und wie funktioniert Fracking

Erdgas tritt in konventionellen Vorkommen in porenreichen Gesteinen auf, in denen es sich frei beweglich unter einer nach oben abdichtenden Gesteinsschicht angesammelt hat. Es strömt großflächig zu einzelnen Förderbohrungen hin. In den sogenannten unkonventionellen Erdgaslagerstätten ist das Gas entweder in kleinen Hohlräumen von Sandsteinen, Kalksteinen oder Mergeln eingeschlossen, das sogenannte Tight Gas, oder auf Schichtflächen von Tonschiefern, dem Schiefergas, weitgehend fest gebunden und immobil. Das Gestein des gesamten Erdgaslagers muss aufgebrochen werden, um das Gas aus festen Bindungen freizusetzen sowie ein zusammenhängendes Porensystem zu erzeugen, aus dem das es zu den Förderbohrungen strömen kann. Das Gas steht unter Druck und kann dann durch die Druckentlastung über ein Förderrohr nach oben strömen. Dieser sogenannte Lagerstättendruck in der Tiefe entsteht durch die Auflast der überlagernden Gesteine.

Zur Erschließung einer unkonventionellen Lagerstätte wird eine Bohrung senkrecht abgeteuft und im Bereich des Erdgasvorkommens horizontal abgelenkt. Die horizontale Strecke kann mehrere Tausend Meter lang sein. Das horizontal verlaufende Rohr wird durch eingeführte Vorrichtungen (Perforation Gun) mit einem System von Sprengladungen perforiert. Dann beginnt der eigentliche Vorgang des Frackens. Mit extrem hohen Drücken von bis zu 1500 bar wird Wasser, das mit Sand oder Keramikpartikeln sowie verschiedenen Chemikalien versetzt ist (Frackfluid), über das Bohrloch in das Lagerstättengestein gepresst, sodass dieses großräumig gebrochen bzw. gefrackt wird. Dabei werden Gesteinsbereiche von etwa 150 m Länge und 100 m Durchmesser erfasst.

Die entstandenen Risse werden durch körnige Materialien in den Fracfluiden stabilisiert, sodass die Wegigkeit für das Gas erhalten bleibt. Der Frackvorgang kann nach Bedarf mehrfach wiederholt werden. Die Chemikalien, die in Anteilen von 0,4 bis 2% dem Frackfluid zugesetzt werden, haben verschiedene Aufgaben. Das ist beispielhaft in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1:

Einige der eingesetzten Chemikalien sind giftig, d.h. nach deutscher Gefahrenstoffverordnung karzinogen, oder anderweitig gesundheitsgefährdend. Es gibt Hunderte von Rezepturen, die von den Firmen in der Regel geheim gehalten werden. Bei einem Frackvorgang werden meist mehr als 100 Millionen Liter Wasser eingesetzt. Bei dieser Wassermenge müssen somit mehrere Zentner bis Tonnen an Chemikalien eingesetzt werden.

Das Gas reißt beim Aufsteigen in dem Förderrohr nach und nach das eingepresste Frackfluid mit, sodass es zum größten Teil aus dem Lagerstättengestein wieder entfernt wird. Ein Teil der verwendeten Chemikalien kann aber im Gestein durch Einschluss oder Sorption enthalten bleiben. Bei der weiteren Förderung des Erdgases wird auch sogenanntes Lagerstättenwasser mitgerissen, das in dem Gestein enthalten ist oder aus umliegenden Schichten nachströmt. Die Mischung beider Flüssigkeiten ist der Flowback, der neben den beim Fracking eingesetzten Chemikalien auch gelöstes Methan sowie aus dem aufgebrochenen Gestein suspendierte und gelöste organische und anorganische und teils radioaktive Stoffe enthalten kann.

Im Verlauf der Gasförderung verringert sich bis zur nächsten Frackmaßnahme der Anteil des Frackfluids immer mehr und der Anteil des Lagerstättenwassers nimmt immer weiter zu. In Tabelle 2 sind eine Reihe der Substanzen des Lagerstättenwassers aufgeführt. Das Lagerstättenwasser ist hochsalinar – etwa viermal so salzig wie Meerwasser –, und es befinden sich oft toxische Substanzen darin.

Tab.:2 Bestandteile des Lagerstättenwassers

Salinare Formationswässer
Organische Substanzen BTEX (sp. Benzol , Toluol)
PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe)
Erhöhte Spurenstoffkonzentrationen (Quecksilber, Arsen, Blei u.a.)
Natürlich auftretende radioaktive Stoffe (angereichert; NORM)

Entstehung von Kohlenwasserstoff-Lagerstätten

Die Lagerstätten der jetzt so begehrten Kohlenwasserstoffe sind vor Urzeiten unter Umweltbedingungen entstanden, die für unsere Verhältnisse sicher lebensfeindlich waren. Mit der Mobilisierung dieser Stoffe holen wir eine auch heute nicht gerade gesundheitsfördernde Materie wieder in unser Ökosystem zurück.

Aus dem Flowback werden auf dem Betriebsgelände der Förderanlage das teilweise gelöste Methan und die mitgeförderten Feststoffe abgetrennt. Die weiterhin darin enthaltenen Salze und Schadstoffe werden in der Regel nicht abgetrennt, da diese Reinigung sehr aufwändig ist und den Gewinn der Erdgasproduktionsfirmen deutlich schmälern würde. In vielen Fällen wäre die Förderung dann auch unwirtschaftlich. Das Abwasser wird über Pipelines oder im Einzelfall auch mit Tanklastzügen zu Verpressbohrungen transportiert. Das aus größerer Tiefe stammende Wasser mit den darin enthaltenen Schadstoffen wird in ältere, nicht mehr genutzte Bohrlöcher, in meist geringerer Tiefe verpresst.

Erfahrungen der Firmen

Die Erdgasfirmen behaupten, dass es in Deutschland schon mehr als 300 Fracs gegeben hat, bei denen es niemals zu einem Zwischenfall gekommen sei, sodass nur positive Erfahrungen existieren. Es handelt sich dabei aber fast ausschließlich um Bohrungen nach konventionellem Erdgas oder –Öl. Dabei wird das Gestein, wenn der natürliche Lagerstättendruck nachlässt, im Bereich um die mehr oder weniger senkrecht abgeteufte Bohrung in einem begrenzten Raum aufgesprengt, um durch bessere Durchlässigkeit des Gas- oder Ölmuttergesteins den Stofftransport zum Bohrloch hin zu verbessern und Restanteile des Rohstoffs zu fördern.

Für die Förderung des unkonventionellen Erdgases muss aber das Gestein nicht nur punktuell, sondern über die ganze Schichtmächtigkeit mit vielen meist parallel oder sternförmig angeordneten Horizontalbohrungen großflächig zertrümmert werden. Bei der dafür notwendigen Bohrlochdichte wird auch sehr viel mehr mit Chemikalien versetztes Frackfluid eingesetzt und belastetes Lagerstättenwasser gefördert. Die Menge des anfallenden Flowbacks stellt eine ganz neue Herausforderung für den Förderbetrieb dar und wird nach allen Erfahrungen zu enormen Umweltbelastungen, insbesondere zu Gefährdungen des Grundwassers führen.

Die Erdgasindustrie avisiert uns, ihre Frackingmethoden kurzfristig auf nicht wasser- und umweltgefährdende Frackingfluide umzustellen. Das dürfte aber ein reiner Marketingtrick sein. Die Gefährlichkeit von neu entwickelten Chemikalien, insbesondere auch ihre Wirkung in der jeweiligen Kombination mit anderen Substanzen, ist nur sehr aufwändig zu ermitteln. Zudem kann durch die beim Fracking anzuwendenden hohen Drücke und die erhöhten Temperaturen in der Tiefe die Toxizität von Chemikalien durch Polymerisierung oder Reaktionen mit den Lagerstättenwässern stark verändert werden. Eine seriöse Gefährdungsabschätzung ist deshalb nur sehr eingeschränkt möglich; das Gefährdungspotenzial stellt sich in der Regel erst nach längerer Zeit heraus. Dann können unsere Böden und das Grundwasser schon irreparabel geschädigt sein, während die verursachende Firma längst nicht mehr erreichbar ist.

Der Verzicht auf toxische Anteile in den Frackfluiden oder das Fracken nur mit CO2 löst nur ein Teilproblem. Das teilweise sehr stark belastete und in der Regel stark salzhaltige Lagerstättenwasser wird weiterhin als Flowback gefördert und muss entsorgt werden.

Welche Probleme können beim Fracking auftreten?

Eine Schwachstelle beim Hydraulic Fracturing ist die Dichtigkeit der eingesetzten Rohrsysteme. Die teilweise mehrere Tausend Meter langen Bohrlöcher werden verrohrt und die Rohre mit einem Zementmantel gegen das Gestein abgedichtet. Damit sollen die Rohre stabilisiert und eine hydraulische Verbindung zwischen verschiedenen wasserführenden Schichten, die von der Bohrung durchstoßen werden, verhindert werden. Außerdem soll damit verhindert werden, dass Methan außerhalb des Rohrs, im sog. Ringraum, aufsteigt und das Grundwasser oder die Erdoberfläche kontaminiert.

Durch den Frackvorgang sind diese Anlagen erheblichen Innendrücken ausgesetzt. Stahlrohre und Zementmantel dehnen sich bei wechselnden Druck- und Temperaturänderungen beim Fracking unterschiedlich stark aus, sodass es schon dadurch zu Rissen in den Materialien kommen kann. Auch Bewegungen des umgebenden Gebirges drücken und verwinden diese Rohrtouren u.U. stark. Die international tätige U.S.-Firma ARCHER aus Houston, Texas, schreibt in ihrer Information „Better well Integrity“, dass 38% aller weltweit aktiven Bohrungen Mängel der Integrität (SCP; structural concrete problems) aufweisen. Die Hälfte dieser festgestellten Mängel war so gravierend, dass diese Bohrungen zeitweise oder sogar gänzlich geschlossen werden mussten. Hauptmängel sind dabei die Undichtigkeit des Außenmantels von Bohrungen und Undichtigkeiten durch fehlerhafte Dichtungen und Zementierungen.

In den USA leben große Firmen davon, die Rohrsysteme auf Lecks zu prüfen und zu reparieren. Eine Prüfung der Zementummantelung ist technisch kaum möglich. So kann eine sichere Einbindung der Geringwasserleiter und damit eine Trennung von Reservoirgesteinen und Grundwasserleitern nicht sicher gewährleistet werden. Bei Frackvorgängen können dann im Bereich des vertikalen Verlaufs der Bohrung die mit hohem Druck eingepressten gifthaltigen Frackfluide wieder in die darüber liegenden Gesteinsschichten und somit auch in hangende Grundwasserhorizonte aufsteigen. Ein solcher Wiederaufstieg von Frackfluiden ist auch an in dem Gebiet vorhandenen Altbohrlöchern oder an im Deckgestein vorhandenen oder durch den Frackvorgang induzierten Rissen und Verwerfungen möglich.

Abb. 2: Wirkpfade toxischer Flüssigkeiten beim Fracking

Abb. 2: Wirkpfade toxischer Flüssigkeiten beim Fracking

Die Ausdehnung der durch das Fracken erzeugten Risse im Gestein soll nach Firmenangaben sicher planbar sein. Dafür sind in einem Bohrloch in verschiedenen Höhen und an der Oberfläche Geophone installiert, über die die Rissbildung verfolgt und durch Veränderung des Einpressdrucks gesteuert werden kann. Die Stratigraphie, also die Schichtung der Gesteine im Untergrund, Störungen und Versatze in der Abfolge sowie verschiedene Eigenschaften der Gesteine, kann durch seismische Voruntersuchungen und Modellierung der Messergebnisse sehr gut beschrieben werden. Spannungen in Gesteinsschichten, die z.B. durch die in Norddeutschland aufdrängenden Salzdiapire hervorgerufen werden, sind so allerdings nicht zu ermitteln. Sie können zu Ausreißer Rissen führen, die weit über die geplanten Gesteinszertrümmerungen hinausreichen. Dadurch können weitere Aufstiegsmöglichkeiten für Frackfluide, Flowback oder auch Gase entstehen.

Das Methan ist in Schiefer sorbiert oder in feinsten Poren sehr fest gebunden. Durch das Aufbrechen des Gesteinsverbandes und die chemische Aktivierung wird es freigesetzt und kann auf Klüften aufsteigen oder gelöst in Grundwasser horizontal weiter transportiert werden. Tiefe Grundwässer bewegen sich meist nur mit Geschwindigkeiten um 25 m/Jahr, sodass ein Aufstieg oder die Entgasung dieser mit Methan und anderen Stoffen aus dem Schiefer belasteten Wässer sehr viel später und an entfernteren Stellen erfolgen kann. In Voruntersuchungen und bei Modellierungen des Frackvorhabens werden aber nur Brüche, Verwerfungen und Altbohrungen in unmittelbarer Nähe der Frackbohrung berücksichtigt.

Der zu Tage geförderte und meist hoch belastete Flowback wird entweder durch oberflächennahe Leitungen oder mit Tankwagen zu Versenkbohrungen transportiert. Schadensfälle durch undichte Rohrleitungen führen zu gravierenden Kontaminationen von Böden und Oberflächenwassern. Solche Vorfälle hat es auch schon bei Anlagen in Niedersachsen gegeben, genauso wie Unfälle mit Tankwagen. Diese stellen, insbesondere auf schmalen Deichstraßen wie z.B. im Hamburger Aufsuchungsgebiet Vierlanden, eine außerordentliche Gefahr für die Umwelt dar. Durch auslaufende Abwässer kontaminierte Wassergräben oder Bodenflächen sind dann über lange Zeiträume nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar und gefährden den oberen Grundwasserleiter unmittelbar. Bei der Erdgasförderung in Völkersen (Niedersachsen) wurden bei den unterirdischen Rohrsystemen für den Transport der Abwässer sogar Rohrmaterialien eingesetzt, durch die Benzol und auch Quecksilber diffundieren konnten, sodass großflächig Ackerböden verunreinigt wurden. Im Mittelpunkt der Diskussionen um das Fracken der unkonventionellen Gaslagerstätten steht bisher die Verwendung von toxischen Frackfluiden insbesondere während des direkten Frackvorgangs. Dafür wird deshalb von der Industrie die Entwicklung „giftfreier Fluide“ oder anderer neuartiger Techniken versprochen. Als wesentliches Problem bleibt aber die nicht vermeidbare Mitförderung von z.T. mit Schwermetallen, organischen Schadstoffen und Radionukliden hoch belasteten salinen Lagerstättenwässern. Da eine Aufreinigung dieser Wässer die Wirtschaftlichkeit der Gasförderung stark beeinträchtigen würde, werden sie in Altbohrungen verpresst.

Problem Abwasserverklappung

Verpressstelle Wittorf Z1, Lk. Rotenburg/Wümme

Verpressstelle Wittorf Z1, Lk. Rotenburg/Wümme

Ein besonderes Problem stellen die Versenkbohrungen für das Lagerstättenwasser dar. Das in großen Mengen anfallende Lagerstättenwasser, das aus großer Tiefe gefördert wird, soll nach Darstellung auf den Hochglanzprospekten der Explorationsfirmen nur dorthin zurückgepresst werden, wo es herkommt. In der Praxis werden für die Verpressung aber Altbohrungen benutzt, die in der Regel deutlich flacher sind und deren Integrität im Einzelfall nicht immer sicher ist. Die Bohrungen wurden mit Techniken und Materialien abgeteuft, die nicht mehr den heutigen Standards entsprechen.

Die geologischen Gegebenheiten werden nicht durch neue Untersuchungen auf den neuesten Stand gebracht. Die Bergbehörden können z.T. keine Angaben mehr über Ausbau und den teilweisen Rückbau dieser Bohrungen machen. Die für die seitliche Abdichtung früher eingesetzten Zemente altern schneller und halten den Verpressdrücken oft nicht mehr stand. Da gleichzeitig die Abstände zu den höher liegenden Aquiferen deutlich geringer sind, besteht eine erhöhte Gefahr der Kontamination von Grundwässern. Bemerkenswert ist, dass die zuständigen Bergbaubehörden diese fragliche Abfallbeseitigung zulassen.

Forschungsbedarf?

Wie Experten immer wieder betonen, z.B. von dem „Neutralen Expertenkreis InfoDialog Fracking“ oder auf dem Kongress „Umweltverträgliches Fracking“ in Hannover, existieren bezüglich des flächenhaften Frackings so viele ungeklärte Fragen, dass es unbedingt notwendig ist, diese durch wissenschaftlich kontrollierte Versuchsbohrungen in Deutschland zu klären. Man ist sich einig, dass die mehr als 300 Fracs in Deutschland und die über eine Millionen von den Explorationsfirmen in den USA durchgeführten Frackbohrungen immer noch keine ausreichenden Erkenntnisse zur Sicherheit dieses Verfahrens bieten. Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Bergbaubehörden in Deutschland davon ungerührt Konzessionen zur Aufsuchung und zur Gewinnung von Frackinggas erteilen. Für die Lösung der bisher schon bekannten Probleme, insbesondere die der Abfall- und Abwasserbeseitigung sind keine teuren Versuchsbohrungen notwendig, vielmehr müssten robuste Reinigungs- und Entsorgungstechniken entwickelt und die damit verbundene Wirtschaftlichkeit der Förderung unkonventioneller Kohlenwasserstoffe kalkuliert werden.

Seismizität

Die Gesteinsaufsprengungen beim Fracken sollen nur durch das Auslösen von Mikrobeben im Bereich der Bohrlöcher erfolgen. Wie schon oben geschildert, können die in der gesamten Gesteinsformation vorhandene Spannungen aber zu weitaus stärkeren Erdbewegungen führen, als berechnet wurde. Durch das Lösen dieser Spannungen beim Fracken kann es zu nicht kalkulierbaren Verschiebungen und Erschütterungen in den Gesteinslagen kommen. Spontane Erdbeben mit Gebäudeschäden in unmittelbarer Nachbarschaft der Frackbohrungen kann man aktuell bei der Erdgasförderung in Völkersen, Landkreis Rotenburg/Verden beobachten. Flächige Bodensenkungen im Dezimeterbereich sind dort ebenfalls aufgetreten. Sie können u.a. entstehen wenn der Druck in der Lagerstätte nachlässt und die zertrümmerten Gesteine zusammensacken. Beide Phänomene könnten in dicht besiedelten Gebieten wie den Hamburger Siedlungskernen von Harburg und Wilhelmsburg und sensiblen Landschaftsbereichen wie den Vier- und Marschlanden mit großen Gewächshausflächen und langen Deichlinien erhebliche Auswirkungen haben.

Besonders kritische Auswirkungen auf die Erdbewegungen hat das Verpressen der bei dem Förderverfahren anfallenden Abwassermengen aus Frackingfluiden und Lagerstättenwässern in aufgelassene Altbohrungen – allein im Aufsuchungsfeld Vierlande existieren lt. LBEG über 450. In diesen Bereichen ist in der Regel schon Schichtenwasser vorhanden. Durch den Raumbedarf der zusätzlich eingepressten Wässer und die an Verwerfungen und Störungsstellen aufsteigenden und als Gleitmittel fungierenden Flüssigkeiten können ebenfalls Spannungen im Gestein abgebaut und somit Erdbewegungen provoziert werden. Das kann stärkere Verschiebungen im Gesteinsverband verursachen, die kurzfristig lokale Erdbeben auslösen oder längerfristig zu Senkungen und Hebungen an der Erdoberfläche führen.

Die großflächig zertrümmerten Gesteinsschichten in der Tiefe stellen für ein großes Gebiet eine Schwächezone dar. Erdstöße in Entfernungen von hunderten von Kilometern haben in solchen Gebieten schon sogenannte Schwarmbeben ausgelöst, die jeweils nicht unmittelbaren Bohraktionen zugeordnet werden konnten. Wie man aus Erfahrungen in Holland weiß, können sich seismische Auswirkungen des Frackings auch erst nach 8 bis 15 Jahren bemerkbar machen. Spätestens dann stellt sich für Immobilienbesitzer die Frage, wie sie beweisen können, dass die Risse in ihren Häusern vor Jahren durch das Gasproduktionsunternehmen verursacht wurden.

Verwüstungen von Landschaft und Belastung der Infrastruktur

Zur effektiven Förderung unkonventioneller Gasvorkommen muss das Gestein der Lagerstätte auf ganzer Fläche zertrümmert werden. Deshalb werden die Bohrungen sehr viel dichter angeordnet als bei konventionell erschließbaren Erdgasfeldern, bei denen das Gas aus größeren Entfernungen zu den Bohrlöchern fließen kann. Von einem Bohrplatz aus können bis zu 10 km² Gesteinsfläche erschlossen werden. Müssen größere Flächen erschlossen werden, sind Bohrungen in Abständen von etwa 2 bis 4 Kilometern notwendig. Auf den Bohrplätzen muss Raum für einen umfangreichen Fahrzeugpark für den Frackvorgang vorgehalten werden.

Wegen der Lagerhaltung von Frackfluiden und entsprechenden Chemikalien, der Aufarbeitung des geförderten Wasser- Gasgemisches, der Übergabe des Erdgases sowie dem Management des Flowback sind die Flächen für die Bohrplätze auch deutlich größer als bei konventionellen Bohrungen. Die Abwässer müssen, zumindest entsprechend der derzeit gängigen, abfall- und wasserschutzrechtlich bedenklichen Praxis, zu meist entfernteren Versenkbohrungen über Pipelines oder mit Tankwagen transportiert werden. Das geförderte Gas muss über Pipelines transportiert werden. Die Flächen der Bohrplätze müssen abgedichtet, das Oberflächenwasser muss aufgefangen, behandelt und fachgerecht entsorgt werden. Bau und Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur erfordern die Überplanung des gesamten Förderungsgebietes.

Erdölförderung im Feld Siedenburg, Vogtei, Lk. Diepholz

Erdölförderung im Feld Siedenburg, Vogtei, Lk. Diepholz

Wie man schon in dem Fördergebiet für konventionelle Kohlenwasserstoffe „Siedenburg“ (Vogtei, Lk. Diepholz) sieht, kann schon dort auf einem Gebiet mit großflächiger Landwirtschaft nicht mehr von einer Kulturlandschaft gesprochen werden. Die Gegend ist geprägt von Förderflächen, Rohrsystemen und Servicewegen. Eine unkonventionelle Gasgewinnung mit der weitaus stärker verdichteten Infrastruktur ist in einem Siedlungsgebiet mit kleinteiliger Landwirtschaft und Gartenbau wie in den Vierlanden nicht vorstellbar.

Die Methode des Frackens von Bohrungen ist sicher technisch beherrschbar und seit Jahrzehnten für konventionelle Kohlenwasserstoffe Stand der Technik. Sie stößt jetzt aber an ihre Grenzen, weil die Industrie durch eine exzessive Ausweitung der Gesteinszertrümmerung im Untergrund, den Einsatz von Horizontalbohrungen und problematischer Chemikalien sowie die durch Missachtung von Umweltstandards die Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung verliert.

Dienen Erdgas und Erdöl aus unkonventionellen Lagerstätten dem Klimaschutz?

Bei der Verbrennung von Erdgas entsteht weniger CO2 als bei der Verbrennung von Erdöl und Kohle. Um die Klimagasemissionen und damit den weltweiten Temperaturanstieg in einigermaßen vertretbaren Dimensionen zu halten, sollen Erdgaskraftwerke als Brückentechnologie für die Energiewende zu nachwachsenden Rohstoffen bzw. erneuerbaren Energien dienen. Diese Kalkulation gilt aber nur für den isolierten Vorgang der Verbrennung im Kraftwerk und auch nur bedingt bei einer Erdgasgewinnung aus konventionellen Lagerstätten.

Erdgas besteht aus Methan, das in der Atmosphäre zwar langsam abgebaut wird, aber gerechnet über einen Zeitraum von 100 Jahren ein 25-fach höheres Global Warming Potential pro Kilogramm als CO2 hat. Dieses Potential ist über einen kürzeren Zeitraum gerechnet entsprechend höher. Schon bei der konventionellen Erdgasförderung gibt es geringe Methanverluste, diese akkumulieren sich weiter durch geringe lokale Undichtigkeiten der Pipelines, die bei Transporten über Tausende von Kilometern kaum überprüfbar sind.

Weitaus gravierender sind die Methanemissionen bei unkonventionellen Fördertechniken. Durch das hydraulische Fracking wird das Gestein zerrüttet und Gas kann nicht nur kontrolliert abgeführt werden, sondern wird auch unkontrolliert an Spalten in der Gesteinsstruktur an die Oberfläche aufsteigen. Auf Gasfeldern in den USA wurden wiederholt Gasbrände auf freier Landschaft beobachtet. Das ist in den meisten Fällen auf natürlich vorkommende Gasaustritte zurückzuführen, zeigt aber die grundsätzliche Wegbarkeit in den Gesteinen auch aus größeren Tiefen. Weitere Verluste treten direkt am Bohrloch und bei der Trennung des geförderten Gas-Wassergemisches auf. Man rechnet hier mit Methanverlusten von 2% bis 5%. In den USA rechnet man mit etwa 9% Methanverlusten vor allem durch unkontrollierten Aufstieg aus Gesteinsspalten. Diese Methanemissionen verschlechtern die Klimabilanz des unkonventionell gewonnenen Gases gegenüber der Kohle so weit, dass man nicht mehr von einer klimaschonenden Brückentechnologie durch Erdgaseinsatz reden kann. Die Klimabilanz eines modernen Braunkohlekraftwerkes ist damit sogar besser als die von Gaskraftwerken, welche mit Schiefergas betrieben werden.

Kostet ein Frackingverbot Arbeitsplätze in Deutschland und ist Deutschland auch wirtschaftlich benachteiligt?
Der Verzicht auf die Gewinnung von unkonventionellem Erdgas in Deutschland soll, dazu führen, dass die Energiepreise hier gegenüber anderen Ländern, wie den USA, so weit ansteigen, dass die energieintensive Industrie dorthin abwandert und Hunderttausende von Arbeitsplätzen hier verloren gehen. Durch die Förderung des durch Fracking gewinnbaren Gases würden demgegenüber Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden. Diesen Vorstellungen stehen einige Realitäten gegenüber.
In unserem Bewusstsein haben wir seit Jahren deutlich steigende Gaspreise für uns Endverbraucher. Diese Preissteigerung liegt zum einen an der Koppelung des Gaspreises mit dem Ölpreis und zum anderen an den langfristigen Verträgen, die unsere Versorger ihrerseits mit den Gaserzeugern abgeschlossen haben. Doch diese Bindungen bröckeln nun und es bildet sich ein weltweiter Markt. Unterstützt wird dieser Trend auch durch den Aufbau von Flüssiggaslieferungen (LNG) von den Erzeuger- zu den Verbraucherländern. Der Markt wird flexibler.

Das z.B. von ExxonMobil geförderte Gas würde nach unserem Berggesetz nur dieser Firma und nicht etwa dem Land oder dem Bund gehören. Die Gaspreise richten sich nach Angebot und Nachfrage und werden auf dem Weltmarkt gebildet. ExxonMobil muss das Gas also nicht in Hamburg verkaufen, sondern kann es dort anbieten, wo der höchste Preis erzielt wird. Die Firma arbeitet jedenfalls nicht für unsere Energiesicherheit und Preisstabilität, sondern ausschließlich für die Gewinne ihrer Aktionäre. Sicherer wäre es für uns, wenn man das Gas im Boden lassen und Unternehmen mit der Aussicht auf eine gesunde und lebenswerte Umwelt an den Standort Deutschland binden würde.

Ein langfristiger Gasboom ist darüber hinaus wegen der insbesondere in Deutschland relativ geringen noch zu gewinnenden Vorräte nicht zu erwarten. Deutschland bleibt in jedem Fall weiter abhängig von Importen.

In den USA ist zu beobachten, dass der niedrige Gaspreis bereits die Produktion und den Ausbau alternativer Energien zurückdrängt. So erfreulich für viele Menschen zunächst die Aussicht auf vorübergehend niedrigere Energiepreise ist, das Ende wird aber abrupt kommen und die Auswirkungen umso heftiger werden. Die gegenüber konventionellen Gasbohrungen geringeren Fördermengen gehen bei dem Frackinggas schon nach einem Jahr auf etwa 50% der Ausgangsleistung zurück, werden in wenigen Jahren unwirtschaftlich und müssen um den ansteigenden Gasbedarf zu befriedigen immer kurzfristiger durch neue Bohrungen ersetzt werden. Dieser Vorgang beschleunigt sich noch dadurch, dass bisher die produktivsten Erdgasfelder erschlossen worden sind, deren Vorräte jetzt schon langsam zur Neige gehen. Nach Meinung vieler Experten könnte der Gasrausch in den USA wegen der steigenden Förderkosten und der gravierenden Umweltschäden schon kurzfristig enden. Es bleiben dann, ähnlich wie nach der Immobilienblase, Schulden, eine Wirtschaftskrise und eine zerstörte Umwelt.

Politische Implikationen

Erdöl und Erdgas werden in den nächsten Jahrzehnten trotz aller Kunstgriffe bei der Ausbeutung unkonventioneller Lagerstätten knapper und zwangsläufig teurer werden. Die Weltbevölkerung wächst und ein immer größerer Anteil der Menschen fordert einen energie- und rohstoffintensiven Lebensstil. Die durch die Frackingtechnik ausgelöste, aus den USA überschwappende Welle kurzfristig billigen Erdgases scheint den langfristigen Preisanstieg vorübergehend zu stoppen. Die Versorgungssicherheit in Deutschland steht für die nächsten Jahre außer Frage. Die Lieferungen erfolgen aus verschiedenen Regionen über Pipelines und zunehmend auch als Flüssiggas. In dieser Situation soll in dem Land mit einem der geringsten Gasvorkommen der Welt mit fragwürdigen Methoden der letzte Rest an Erdgas aus dem Boden gepresst werden, wobei der einzige nennenswerte Bodenschatz des Landes nämlich das saubere Grundwasser gefährdet wird. Das passiert zu einer Zeit, in der in Deutschland keine Wirtschaftskrise herrscht und der Lebensstandard zu einem der höchsten in der Welt gehört. Das geschieht gegen jede ökonomische Vernunft und ist vor allem möglich, weil rein profitorientierte Energiekonzerne die Absonderlichkeiten eines überholten Bergbaugesetzes und einer streckenweise äußerst fragwürdigen Genehmigungspraxis der Bergbehörden in Deutschland ausnützen können.

Es ist keine Frage der Parteizugehörigkeit, der Weltanschauung oder des sozialen Status, sondern der politischen und ökonomischen Vernunft, diesen Raubbau und den gleichzeitigen Eingriff in eine trotz fortgeschrittener chemischer Belastung immer noch weitgehend lebenswerten Umwelt zu stoppen.

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