Offener Brief an die Hamburger Grüne Basis, 11. April 2015
Liebe Grüne Basis!
Wir sind sehr enttäuscht vom umweltpolitischen Kleinmut, der aus der Koalitionsvereinbarung spricht. Das betrifft u. a. Fracking. Wir lesen da:
Trinkwasserversorgung
Die Koalition lehnt die Förderung unkonventioneller Erdgasvorkommen mittels Fracking ab.
Der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit hat absoluten Vorrang. Vor diesem Hintergrund werden in Zukunft Anträge auf Probebohrungen und Bohrungen in Wasserschutz- und Wassereinzugsgebieten in Hamburg nicht unterstützt.
Die Koalition wird sich auf Bundesebene für eine entsprechende gesetzliche Regelung, eine Novellierung des Bergrechts, die Umweltbelangen ausreichend Genüge tut, und für eine Gaskennzeichnung einsetzen. (Vertragsentwurf S. 70/71)
Das, liebe Grüne, fällt weit hinter das zurück, was Jens Kerstan, Katharina Fegebank und KollegInnen noch im März 2013 (Drs. 20/6927 vom 26.3.2013) gesagt haben:
Die Erdgasförderung mittels Fracking wäre nach heutigem Kenntnisstand mit hohen Risiken für die Umwelt, insbesondere für das Grundwasser, und für die menschliche Gesundheit verbunden. Hamburg muss tätig werden, um die Umwelt und die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern vor möglichen Gefahren des Frackings zu schützen.
Dass es jetzt, zwei Jahre später, nur noch heißt, dass „in Zukunft Anträge auf Probebohrungen und Bohrungen in Wasserschutz- und Wassereinzugsgebieten in Hamburg nicht unterstützt“ werden sollen, bleibt meilenweit dahinter zurück. So können Umwelt und Gesundheit nicht geschützt werden. So wird dem Fracking im überwiegenden Teil der Erlaubnis Vierlande Tür und Tor geöffnet!
Abgesehen davon benötigen Unternehmen keine Unterstützung von Bundesländern, wenn sie ihre Bohr-Anträge stellen. Das erledigen Anwaltskanzleien viel professioneller.
Damals lasen wir weiter:
Ob den Risiken des Frackings ein energiepolitischer Nutzen gegenübersteht, ist mehr als fragwürdig.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der energiepolitische Nutzen von Fracking ist heute fragwürdiger denn je. Fracking steht dem Ausbau der klimafreundlichen Energieträger im Weg! Fracking ist ein Klima-Desaster!
Und weiter in der Drucksache von damals:
Unabhängig davon, dass die Zuständigkeit für das Bergrecht auf Bundesebene liegt, haben auch die Länder Handlungsmöglichkeiten, um die Umwelt und Gesundheit vor den Risiken des Frackings zu schützen.
Auch hiervon findet sich im Vertragsentwurf nichts wieder. Statt auf eine klarstellende Ermächtigung der Länder zu pochen, die es ermöglicht, dass Hamburg auf seinem Staatsgebiet Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen untersagt, will man das Rechtsänderungspaket auf Bundesebene unterstützen. Ein Paket, das u. a. Oliver Krischer zu Recht als Fracking-Ermöglichungsgesetz bezeichnet hat.
Die nicht existente Verteidigung von Umwelt und Gesundheit gegen Fracking in der vorgelegten Koalitionsvereinbarung verwundert umso mehr, als von Euch Grünen in Hamburg
- der LAG Energie,
- -die Bürgerschaftsfraktion,
- der Landesverband,
- der Kreisverband Bergedorf und
- die Grüne Jugend
die Korbacher Resolution unterstützen und damit für ein ausnahmsloses Verbot von Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen eintreten.
Der Weg ins Fracking ist und bleibt falsch, nicht nur mit Blick auf den Schutz des Trinkwassers. Die von Senator Horch geführte Wirtschaftsbehörde hat in der vorigen Legislaturperiode die Tür dahin mehr als bereitwillig geöffnet. Die Formulierungen des Koalitionsvertragsentwurfes werden die Wirtschaftsbehörde, schon wegen der Personalkontinuität, nicht zur Umkehr bewegen. Voraussetzung für die Befolgung des ersten Satzes der Koalitionsvereinbarung ist daher die Verlagerung der Zuständigkeit für das Bergrecht von der Wirtschaftsbehörde zur Umweltbehörde. Besteht darauf, holt euch das Bergrecht in die eigene Zuständigkeit!
Danke und viele Grüße
Dr. Dietmar Goetz und Dr. Karl Hibbeln, BI FFH – FrackingFreies Hamburg
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Bei der Abstimmung des Grünen Landesverbandes am heutigen Sonntag stimmte ein Drittel gegen die Annahme des Entwurfs der Koalitionsvereinbarung. Das angebliche Fracking-Verbot darin vermochten viele von ihnen nicht wahrzunehmen.